Ein Glück, dass es sie gibt, die KSK.
Gerade flatterte einem meiner Unternehmenskunden unerwartet eine (kleine) Zahlungsaufforderung für die Künstlersozialkasse (KSK) ins Haus. Er konnte nicht verstehen, was die KSK von ihm wollte, war sehr aufgeregt und fühlte sich zu Unrecht belangt. Ich hatte 2018 eine Website für ihn gestaltet. Und ganz vergessen, dass die KSK für viele Leute unbekanntes Terrain ist, deshalb schreibe ich hier mal was dazu.
Wer muss zahlen?
Laut KSK-Website gilt die Zahlungspflicht bei einer „nicht nur gelegentlichen“ Nutzung von Kreativleistungen (wie z.B. Webdesign, Text, PR-Artikel, Grafik oder Profi-Fotos) Außerdem zählt das Auftragsvolumen. In diesem Fall waren es knapp über 1000 Euro netto mit zwei Rechnungen in einem Jahr – ob das schon reicht, wird sich zeigen. Die KSK-Abgabe ist niedrig, sie liegt 2019 bei 4,2% – hier also etwa 50 Euro. Kein Aufreger, sollte man meinen, zumal mein Angebot für diesen Website-Relaunch ohnehin recht günstig kalkuliert war. In der Anlage zum KSK-Anmeldebogen wird „gelegentlich“ definiert:
Für alle Entgeltzahlungen ab 1.1.2015 wird durch das Künstlersozialabgabestabilisierungsgesetz der Begriff „nicht nur gele-gentlich“ in zeitlicher und wirtschaftlicher Hinsicht konkretisiert: Eine gelegentliche Auftragserteilung liegt nur dann vor, wenn die Gesamtsumme aller gezahlten Entgelte in einem Kalenderjahr 450 Euro nicht übersteigt. Wenn es bei der Abgabepflicht nach der Generalklausel auf die Anzahl der Veranstaltungen ankommt, besteht ab 1.1.2015 eine Abgabepflicht nur, wenn mehr als 3 Veranstaltungen durchgeführt werden und die Gesamtsumme aller Entgelte in einem Jahr 450 Euro übersteigt.“
vgl. Informationsschrift Nr. 28 zur Künstlersozialabgabe Seite 2
„Verwerter“ wie Verlage und Agenturen sind fast pauschal zahlungspflichtig. Auch KSK-Versicherungspflichtige können plötzlich selbst zu KSK-Verwertern werden. Dann nämlich, wenn sie „mehr als gelegentlich“ solche Leistungen beauftragen. In diesem Fall ist es jedoch ein Unternehmer, der wohl noch nie zuvor mit „künstlerischen oder publizistischen Werken oder Leistungen“ zu tun hatte – ebensowenig wie mit der deutschen Bürokratie. Doppelte Premiere.
Unternehmen, die sich selbst oder eigene Produkte bewerben und in diesem Zusammenhang nicht nur gelegentlich Entgelte für freischaffende künstlerische oder publizistische Leistungen zahlen, sind ebenfalls abgabepflichtig. Außerdem sind alle Unternehmen abgabepflichtig, die nicht nur gelegentlich Werke oder Leistungen von freischaffenden Künstlern oder Publizisten für Zwecke des eigenen Unternehmens nutzen, um im Zusammenhang mit dieser Nutzung Einnahmen zu erzielen.“
kuenstlersozialkasse.de/…/pflichten-unternehmer-und-verwerter
Das muss nicht sein: ein preußisches Bürokratiemonsterformular
Der Kunde ist sympathisch und ich möchte ihn behalten. So habe ich ihm geholfen, das Meldeformular für KSK-pflichtige Leistungen auszufüllen, ein PDF mit 11 Seiten inklusive Anhang. Dieser „Anmelde- und Erhebungsbogen zur Prüfung der Abgabepflicht und der Höhe der Abgabe nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG)“ ist ein Bürokratiemonster, an dem Menschen, die nicht fließend Deutsch sprechen oder sich mit amtlichen Schreiben und Juristendeutsch schwer tun, unweigerlich scheitern MÜSSEN. Selbst als sattelfeste Textexpertin musste ich viele Sätze mehrfach lesen, um sie richtig zu verstehen.
Das muss sein: KSK ist Unternehmer-Alltag wie Finanzamt, Handelsrecht oder Versicherungen
Wie sonst soll die KSK ihre Kosten decken, die für uns als Versicherungspflichtige entstehen? Wenn nicht über die „Verwerter“ unserer Leistungen. Wer oder was genau KSK-versicherungspflichtig ist, dafür gibt es Berufslisten (vgl. KSK-Informationsschrift 06)
Künstler ist, wer Musik, darstellende oder bildende Kunst schafft, ausübt oder lehrt. Publizist ist, wer als Schriftsteller, Journalist oder in ähnlicher Weise wie ein Schriftsteller oder Journalist tätig ist. (…) Die künstlerische oder publizistische Tätigkeit muss selbständig und erwerbsmäßig ausgeübt werden.
Voraussetzungen für eine Versicherung bei der KSK
Keine Panik! Nur 189.000 Deutsche sind KSK-versichert.
2018 waren es im Bereich Wort 41.569 Versicherte, 65.575 für bildende Kunst, 53.436 für Musik, 28.371 für darstellende Kunst und insgesamt 188.951 Versicherte. [Link: KSK in Zahlen] Die kann sich Deutschland und auch das Unternehmertum gerade noch leisten, würde ich meinen! Für alle KSK-Pflichtversicherten – Journalistinnen, Schauspieler, Künstlerinnen, DJs, Spieleautoren, Regisseure, Tänzerinnen, Komiker, Aktionskünstlerinnen, Webdesigner, Video-Künstler, Puppenspieler, Drehbuchautorinnen, Dompteure, Akrobaten, Visagistinnen, Zauberer sowie viele weitere Kreative und Publizisten – bedeutet dies eine tägliche Absicherung vor allem durch den Zugang zur günstigen Krankenversicherung. Bei einem mickrigen KSK-Versicherten-Durchschnittseinkommen von 17.852 Euro pro Jahr ein entscheidender Faktor. (siehe Link „Einkommensentwicklung der Versicherten“, interessant ist die Diskrepanz zwischen den Geschlechtern …)
Was wären wir ohne die KSK?
Bei den branchenbedingten Einkommens- und Auftragsschwankungen bliebe unseresgleichen alternativ nur die teure private Krankenversicherung – oder dann eben keine – sowie der Verlust der staatlichen Renten- und Pflegeversicherung.
FAZIT: Ohne das bedingungslose Grundeinkommen oder eine einkommensunabhängige Grundrente bleibt momentan nur die KSK, um Künstler*innen und Publizist*innen sozial abzusichern.
Die KSK-Versicherungspflicht (yep, sie ist nicht freiwillig!) bezieht sich auf die Art der erbrachten Leistung. Bei einigen Berufen ist dies sonnenklar, wie bei freien Journalisten, Bildenden Künstlern, Autorinnen oder Schauspielern. Bei Berufen wie Webdesign, Text, Übersetzung, Lektorat, Fotografie oder Grafikdesign werden der künstlerische Aspekt sowie die Berufsausbildung herausgestellt. (Berufeliste vgl. Info 06 KSK)
Rumgemeckert an der KSK
Mit dem „Künstler“ tun sich in Deutschland traditionell viele schwer – wer oder was ist ein Künstler und darf das jedeR einfach so sein? Manche Agenturen meckern und wittern einen Wettbewerbsvorteil für Freelancer (ein Witz angesichts der KSK-Zahlen) Einige Unternehmerinnen meckern über angebliche Nachteile durch den Versicherungszwang (Göttin, wenn ihr unbedingt raus wollt, firmiert doch als Beraterin) Andere Selbstständige (Kaufleute z.B.) meckern, weil sie keine derartigen Versicherungsvorteile genießen. Wieder welche weinen, weil sie mangels Qualifikation oder unpassender Tätigkeit (z.B. Consulting, Coaching, Korrektorat) nicht aufgenommen werden.
Argumente dagegen sind beispielsweise die per se unregelmäßige Auftragslage, oft relativ niedrige Honorare, teils exzentrische Arbeitsbedingungen (Atelier, Filmset, Bühne, Undercover, Straßentheater, Homeoffice) und andere Unwägbarkeiten des Künstler- und Publizistentums. Die sich mit den Bedingungen für rein erfolgs- und gewinnorientiert arbeitende Selbstständige so gar nicht vergleichen lassen. Ich weiß das, denn ich war eine Zeitlang Kauffrau mit eigenem Laden. Last not least sind wir eben keine Verkäufer, Großverdiener oder Stars. Es hat also auch damit zu tun, ob ein Staat seinen unabhängigen Journalismus, die Kunst, Kreation und Kultur fördert – oder nicht.
Merci für die KSK
Langer Rede kurzer Sinn: Ich bin froh über die KSK. Und ich finde es richtig, dass sich Mütterchen Staat um die künstlerisch und publizistisch tätigen Menschen im Land kümmert, beziehungsweise um deren geregelte Gesundheits- und Altersvorsorge. Von der KSK profitieren viele tolle Leute, die mit Ihrer Arbeit die Schönheit und Nachdenklichkeit im Land fördern, Bücher schreiben, Skulpturen erschaffen, musizieren, Artikel recherchieren, Zeitungen und Blogs vollschreiben, Websites betexten und gestalten, Filme drehen und auf Theaterbühnen die Kultur jenseits kommerzieller Zwänge weitertragen. Was ohne die KSK sehr viel schwieriger wäre. Nicht, dass es uns daran hindern würde.
[*Außer es gäbe das bedingungslose Grundeinkommen, eine allgemeine Grundrente sowie eine selbstorganisierte, autonome Alternative zu Krankenkassen und Pflegeversicherungen. Aber das ist ein neues Thema.]