September 2021 ist der Wahlmonat, jetzt kommt’s drauf an: bei der Kommunalwahl, in Niedersachsen am 12.9., und bei der Bundestagswahl am 26.9.. Für Politikinteressierte ist das eine ziemlich interessante Zeit. Und es besteht wieder etwas Hoffnung auf eine menschenfreundliche, klima- und umweltschützende Politik.
Briefwahl hat Vorteile
Einige Wahlzettel sind riesig, weil es viele kleine Parteien gibt und eine Menge Listenplätze mit Kandidatinnen und Kandidaten. Also habe ich mich zur Briefwahl entschlossen, um alles in Ruhe begutachten zu können. So kann ich am Küchentisch einzelne Personen googlen, die ich nicht kenne. Ich sehe (im besten Fall) direkt, wofür sie stehen und was sie in den letzten Jahren verbockt haben (oder auch nicht). In Coronazeiten ist Briefwahl praktisch. Auch wenn ein Brief nicht dem eigentlichen Geist der demokratischen Wahl entspricht. Passt schon. Diesmal.
Irreführende Texte
Allerdings gibt es bei der Briefwahl eine tückische Falle: das Design. Die Gestaltung des Wahlzettels ist katastrophal, sie stammt wohl noch aus einer traurigen Vergangenheit ohne jedes Gestaltungswissen. Jedenfalls ist dieser Wahlzettel NICHT von Profis erstellt, die etwas von Kommunikationsdesign oder Usability verstehen (d.h. Leute, die sich u.a. mit der barrierefreien, anwendungsfreundlichen, effizienten Nutzung von Websites und Print befassen.)
Der Wahlschein ist das Problem
Die Wahlzettel 2021 in dieser Briefwahl sind definitiv NICHT barrierefrei. Eine Menge umständlicher Formulierungen, Bürokratendeutsch, zu lange Sätze, irreführende Anweisungen mit mehreren unklar beschriebenen Optionen und viel zu kleinen Boxen oder Linien zum Unterschreiben stellen Wahlwillige vor Rätsel.
Sehr sehr schnell ist es passiert, dass man entweder den weißen Wahlschein in den falschen Umschlag mit einpackt – oder an der falschen Stelle unterschreibt.
Die „Versicherung an Eides statt“ kann bzw. muss nämlich auch von eventuellen Hilfspersonen geleistet werden. Auf dem Wahlschein kann an insgesamt drei Stellen unterschrieben werden. Nur im Klitzekleingedruckten steht, was wofür gilt. Die eigentlich wichtige Unterschrift muss in ein viel zu kleines Kästchen am linken Rand gequetscht werden. Das ist einfach nur noch absurd. Es erinnert an Formulare aus der Vor-Internet-Zeit, die von Verwaltungsleuten selbst zusammengebastelt wurden.
Zuständig fürs Erkären von Politik ist die Bundeszentrale für politische Bildung (bdp) – dort habe ich immerhin einen abgebildeten Original-Wahlschein von 2014 gefunden (nach unten scrollen), der auch 2021 noch genauso aussieht. Eigentlich sieht er heute schlimmer aus, weil mehr Kleingedrucktes hinzugefügt wurde – wie das Bürokraten eben gerne tun. Unübersichtlicher geht‘ eigentlich kaum.
Gestalterische Fortschritte? Fehlanzeige.
Wer ist eigentlich für diese politische Text- und Design-Stagnation verantwortlich? Gibt es wichtigeres in einer Demokratie, als die Wahlen selbst? Wie kommt es, dass hier nicht nachgebessert wird? Unverständlich.
Bei der Bundeszentrale für politische Bildung wird zwar die Briefwahl 2021 Schritt für Schritt erklärt:
bpb.de/politik/grundfragen/politik-einfach-fuer-alle/326605/bundestagswahl-2021-kurz-und-knapp
Das Hauptproblem, der Wahlschein selbst, wird aber nur ganz kurz angesprochen – und ist dann auch noch falsch abgebildet! Als Skizze, die wirklich nett aussieht, aber leider (!) nicht in diesem Design eingesetzt wird, jedenfalls nicht bei der Kommunalwahl (andere Unterlagen habe ich noch nicht).
Kontrolliert das denn keiner? Wer bekommt eigentlich Geld für so einen Mist? „Ihre Meinung zählt!“ Dieser Werbespruch ist an der Stelle völlig nichtssagend und deplaziert. Ärgerlich.

Im Trend sind Erklärvideos im Kindergartenstil.
Eine weitere offizielle Stelle bemüht sich ums Erklären der Wahl – und scheitert grandios:
bundeswahlleiter.de/bundestagswahlen/2021/informationen-waehler/briefwahl
Im Trend 2021 sind Videos im Comic-Stil wie für Kleinkinder gestaltet. Sie sollen wohl für eine „barrierearme“ Erklärung sorgen, zeigen aber in Wahrheit der mündigen Bürgerin, dem Bürger eine lange Nase: Ätsch, du bist doof, du bist raus. In Kindergartenoptik und -Sprache wird Wahlinteressierten erklärt, was sie tun sollen. Das eigentliche Problem, der unnötig verkomplizierte Wahlschein, wird auch hier nur am Rande angesprochen.
Wählen ist einfach?
Ungültige Wahlzettel sind vorprogrammiert. Weil sich bei der Gestaltung und bei den Texten niemand wirklich Mühe gibt. Schade eigentlich.