Warum der Grüne Oswald Metzger, der btw eines der besten politischen Weblogs Deutschlands führt, so aufgeregt gegen das bedingungslose Grundeinkommen wettert, erschließt sich mir nicht. Bedingungslos heißt für einige Leute „Geld verschenken ohne Gegenleistung zu fordern“. Das scheint für Manche unvorstellbar zu sein und gleichbedeutend mit dem Untergang des Abendlandes.
Dabei ist doch bereits Hartz4 genau das und nichts anderes. Ein unglaublich teurer Verwaltungsapparat, der einer wachsenden Zahl von Menschen Geld zum Überleben zuweist. Ohne wirkliche Zukunftsperspektive und mit sinnlosen 1-Euro-Jobs, die den Betroffenen auch noch das letzte Fünkchen Ehre rauben. Ein Armutszeugnis für eines der reichsten Länder der Welt.
Bei Umfragen à la „was würden Sie mit 600 Euro tun, die Sie bedingungslos monatlich erhalten“ spekulieren mehr als die Hälfte der Befragten zuerst einmal darüber, was andere Leute dann NICHT tun würden. Anstatt ernsthaft zu überlegen, wie sich ihr eigener Alltag dadurch verändern könnte. (Mal abgesehen davon, dass 600 Euro eh viel zu wenig ist.)
Dass es keine Vollbeschäftigung mehr geben wird, haben inzwischen wohl auch die Gewerkschaften akzeptiert. Also, wohin dann mit den Menschen, die aus dem Arbeitsmarkt „herausfallen“? Im Moment werden sie ihrer Würde beraubt, man unterstellt ihnen permanent, es bräuchte Kontrolle und Vorschriften, damit sie in Bewegung kommen, Karawanen ziehen täglich zu den Arbeitsagenturen und verbringen ihre Zeit mit sinnlosem Warten. Diese Menschen sind der Spielball von Politikern und Industrie (Hartz), die mit immer neuen Möglichkeiten experimentieren, um die Leute hin- und herzuschubsen.
Wenn jeder Bürger 600 Euro bekäme, bliebe es dem Einzelnen überlassen, was er oder sie damit anstellt. Jeder bekommt die gleiche Ausgangsbasis und eine Grundsicherung, die wenigstens die Sorge um Miete, Essen und Versicherungen und damit einen unglaublichen Druck von den Leuten nimmt. Wem das tatsächlich zum Leben reicht – okay. Es gibt Menschen, Arme wie Reiche, die werden als Couchpotatoes geboren und sterben als solche. Wer mehr vom Leben will, muss etwas dafür tun. Für sich und für andere. Natürlich werden die Löhne insgesamt entsprechend sinken, aber unterm Strich bleibt es am Monatsende das gleiche Geld. Die Unternehmen wären von Lohnkosten entlastet, trotzdem hat keiner weniger Geld.
Die Finanzierung über die Mehrwertsteuer ist plausibel. Es wurde vorgerechnet, dass bereits die komplette Abschaffung der sinnlosen Hartz4-Bürokratie dieses Bürgergeld in weiten Teilen finanzieren könnte.
Freiberufler wären nicht mehr auf kurze und billige Handlangerjobs angewiesen, um die Miete zu zahlen, sondern können sich auf qualitativ hochwertige Arbeit konzentrieren. Das hätte insgesamt einen enormen kreativen Schub zur Folge, denn jeder Einzelne kann sich in letzter Konsequenz dem widmen, was er wirklich kann und leisten will.
Im Moment werden Hartz4-Empfänger gegängelt, blockiert und an der kurzen Leine gehalten. Und das über Jahre, denn für viele Arbeitslose bietet die heutige Gesellschaft definitiv keinen adäquaten Arbeitsplatz mehr, in dem sie produktiv tätig sein können. Einfache Tätigkeiten wurden längst durch Maschinenarbeit ersetzt, ältere Arbeitnehmer durch junge.
Andererseits gibt es jede Menge Arbeit, die keiner macht, weil sie nicht bezahlt wird: Schulgebäude verlottern, Krankenhäuser und Pflegeheime haben zu wenig Helfer, Bibliotheken werden geschlossen … es gibt viele Beispiele, wo gute Arbeit brach liegt.
Vielleicht steckt aber auch ein grundsätzlich anderes Menschenbild hinter den Streitereien – die Idee vom bedingungslosen Grundeinkommen unterstellt dem Menschen eigenverantwortliches, kreatives und produktives Handeln. Also eine positive Unterstellung, die dem Lebensentwurf des Einzelnen Respekt entgegenbringt. Das hat mit einem Fürsorgestaat oder Obrigkeitshörigkeit gegenüber dem sich kümmernden „Vater Staat“ nichts gemein.
(Fortsetzung folgt …)
- Diskussionsrunde gestern mit Maybrit Illner 22.15 Uhr im ZDF:
„Geld fürs Nichtstun – Wie gerecht ist ein Grundeinkommen für alle?“ - FocusBlog von Oswald Metzger http://blog.focus.de/metzger/archives/231
- Wikipedia erklaert Harty IV http://de.wikipedia.org/wiki/Hartz_IV
Ähnlicher Artikel im Vogelfrei-Blog:
http://baumbach-text.de/blog/2006/08/14/1000-euro-im-monat-fur-jeden/
!! (überarbeitet am 25.4.08 und wegen massiven Spam-Aufkommens leider die Kommentarfunktion – hoffentlich nur vorübergehend – geschlossen)
Ich sehe nur ein Problem bei dem bedingungslosen Grundeinkommen: Damit es funktioniert, soll (so habe ich es in den unterschiedlichen Veröffentlichungen verstanden) das Grundeinkommen an die Staatsbürgerschaft gekoppelt sein. Es ist ja ein „Bürgergeld“ und somit für die, die sich dem Staat gegenüber als Bürger verpflichtet fühlen (so das Argument), und es würden sonst evtl. auch mehr Menschen zuwandern, als das System tragen kann (so das andere Argument).
Aber liegt hier nicht vielleicht ein Rechenfehler vor? Denn wenn die Bürgergeldmachbarkeitsrechnungen darauf beruhen, dass nur die deutschen Staatsbürger Bürgergeld (ich benutze jetzt mal Bürgergeld und Grundeinkommen synonym) bekommen *und* dass mit dem Bürgergeld sämtliche anderen Sozialleistungen wegfallen, was die Finanzierung möglich macht – was ist dann mit den ganzen Leuten, die keinen deutschen Pass haben, aber hier leben und hier auch Sozialleistungen (Kindergeld, z.T. Hartz IV, Wohngeld, Kita.Zuschüsse etc.) beziehen? Die können ja schlecht von heute auf morgen ganz leer ausgehen. Und stimmt die Rechnung dann überhaupt noch? Wenn z.B. (stark vereinfachtes Rechenbeispiel!) von 1 Mio. Menschen, die zurzeit Sozialleistungen in Höhe von, sagen wir mal, durchschnittlich 150 Euro pro Nase (willkürlich gewählte Zahl) beziehen, 50,000 hier lebende „Ausländer“ sind, dann beziehen die zusammen 7,5 Mio. Euro. Alle zusammen kriegen 150 Mio. Euro, die deutschen Staatsbürger zusammen 142,5 Mio. Streicht man nun alle Leistungen zugunsten eines Bürgergeldes, das nur die deutschen Staatsbürger bekommen und nimmt dabei an, nun 150 Mio. fürs Bürgergeld zur Verfügung zu haben, dann hat man sich um 7,5 Mio. verrechnet. Glaube ich wenigstens.
Nun, Berechnungen zum Staatshaushalt überlasse ich lieber den Spezialisten 😉
Eine FAQ werden hier beantwortet: http://www.unternimm-die-zukunft.de/index.php?id=56
andere hier: http://www.initiative-grundeinkommen.ch/content/blog/
Kühle Rechner wie der Steuerfachmann Benediktus Hardorp erklären die Finanzierung sehr plausibel. Bevor „Bürgergeldmachbarkeitsrechnungen“ angestellt werden (wenn Absurditäten wie Hartz4 machbar sind, ist es das Grundeinkommen allemal), muss zuerst über die Idee an sich diskutiert werden. Sonst wird es doch bloß wieder ein „Hartz5“.
Überlegungen zur Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens und vor allem zur Finanzierbarkeit wären doch mal eine gute Gelegenheit, nachzuschauen, an welchen Stellen der Staat bereits jetzt schon Steuern in Milliardenhöhe verschwendet… natürlich wäre ein Grundeinkommen finanzierbar, wenn der Staat nur endlich aufhören würde, Steuern für Blödsinn zu verprassen.