Web-Trends im Jahr 2021 des Corozän, Zeitalter der Corona-Pandemie.
Trotz Lockdown herrscht nicht länger eine Schockstarre wie im vorigen Frühjahr. Jetzt stecken wir mitten im virusgeplagten Alltag – ob uns das passt oder nicht. Online-Kommunikation hat einen höheren Stellenwert als jemals zuvor. Auch die letzten Internetverweigerer machen erste Schritte im WWW. Jetzt bekommt das Thema Online-Präsenz eine ganz neue Tragweite für Freiberufler und Coaches, für Handwerk, Läden und kleine Unternehmen, aber auch für nichtkommerzielle Akteure wie NGOs, Kreative, Künstlerinnen und Künstler – nicht zuletzt zur Existenzsicherung.
Was die Website leisten kann – und was nicht.
Im Jahr 2021 ist eine Website KEIN Akquise-Tool oder Shop. Online-Marketing verlagert sich schon seit einiger Zeit in die „Sozialen Netze“ sowie auf Branchenplattformen und -verzeichnisse. Wo es hingehört. Die persönliche Homepage hat heute vorwiegend informative und repräsentative Aufgaben und bleibt ein nützliches, selbstbestimmtes (!) Schaufenster für Angebot und Portfolio, für Aktivitäten und Wünsche. Hier werden ausgewählte Arbeitsbeispiele gezeigt, angebotene Leistungen, Produkte und Herstellungsprozesse erklärt, Kenntnisse und Know-how aufgelistet, die Firmenphilosophie, -Agenda und -Geschichte sowie Hintergrundinformation präsentiert und vielleicht ein kleines Blog gepflegt.
Die eigene Website ist das Zentrum, die Homebase, auf der alle relevanten Informationen rund um das Unternehmen oder die öffentliche Person zusammenwirken. Hier kommt das persönliche Profil auf den Punkt. Und zwar unabhängig, unter eigener Regie, nicht fremdbestimmt von undurchsichtigen Netzwerken, Algorithmen oder Influenzern. Im besten Falle ist dieses Web-Profil möglichst ansprechend gestaltet, individuell, professionell, sympathisch, offen, vertrauenswürdig, zugänglich und mit allen notwendigen Informationen ausgestattet (und zwar nur mit diesen).
Gutes Webdesign 2021
Gutes, zeitgemäßes Webdesign zeigt sich aus meiner Sicht zuerst in einer optimalen Benutzerführung und User Experience (UX), die sich ganz konkret an der Zielgruppe der Website orientiert – nicht an vermeintlichen Normen oder Standards. Letzteres wäre fatal, weil die Akteure je nach Alter, Bildung, Web-Gewohnheiten und Erwartungen komplett unterschiedliche Ansprüche an einen Online-Auftritt haben. Und das hat nichts mit Geschmacksfragen zu tun.
Gutes Webdesign steht in meinen Augen für eine harmonische, ästhetische Form, die den Inhalt trägt und stützt, das muss nicht zwangsläufig ein kreativer Überflieger sein. Eine gute Website ist eine, die funktioniert, mit der sich die gewünschte Zielgruppe angesprochen und ernst genommen fühlt, wo Interessierte finden, was sie suchen. Modernes Webdesign tritt vor den Inhalten zurück und versucht nicht, diese zu dominieren oder gar zu überlagern durch technische Spielereien, Ablenkung, hübsche Dekoration und Bling-Bling.
Eine Website kann schnell langweilen. Genauso wie ein schlecht präsentierter und formulierter Text.
Zu vermeiden sind: Penetrante Nabelschau, hohle Phrasen und Plattitüden, 08/15-Stockfotos, Information Overload, chaotische Präsentation, Anhäufungen von wenig zielführenden Infos, die das eigentlich Wichtige unter sich begraben, veraltete Technik, schlechte Übersetzungen. Nicht fragen „Was gefällt mir?“, sondern „Was gefällt meinem Wunschpublikum?“.
Zu bevorzugen sind: Sorgfältig kuratierte Informationen, weniger ist oft mehr, Bilder und Grafiken, die den Inhalt stützen, nutzerorientiert formulierte Texte, Inhalte, die sich nicht vom Ich zum Du richten, sondern umgekehrt die Frage: „Was will meine Besucherin, mein Besucher wissen?“ Ein Indikator für kundenzentrierte Kommunikation ist, wie häufig „ICH“ bzw. „WIR“ im Text vorkommt.
Texte am Bildschirm lesen
Moderne Texte werden in perfekt lesbarer, großer Schrift präsentiert, mit Schriften (Fonts), die auf sämtlichen mobilen Geräten optimal skalieren. Typografie und Gliederung entscheiden darüber, ob ein Text gelesen wird – oder nicht. Technische Vehikel, die Texte unterstützen, sind: Inhaltsverzeichnis, Infoboxen, Call-to-Action-Module, Gliederung in Spalten, Absätze und Zwischenüberschriften, kurze Sätze, klare Sprache und konkrete Aussagen. Die Form muss den Inhalt stützen!
Auffindbarkeit der Website
Eine gute Position bei den Suchmaschinen ist wichtig für jede Website, nicht bloß aus kommerziellen Gründen. Und damit ist nicht nur die Suche nach dem eigenen Namen (Ego-Googlen) gemeint (…) Ebenso wichtig bleiben Empfehlungen, d.h. Backlinks aus Sozialen Netzwerken und Profilen, von Multiplikatoren oder Influencern, Links aus Foren, Magazinen, Pressemitteilungen, Interviews in der Print-Presse.
Website-Technik aufgefrischt
Technisch gesehen erfinden sich Websites gerade wieder einmal neu. WordPress hat den Markt endgültig erobert und wird nun zunehmend von spezialisierten Portalen adaptiert und weiterentwickelt. In vielen Ländern ist es längst üblich, Website und Hosting zusammen zu buchen, in Deutschland noch nicht; was an der hiesigen Preisstruktur liegt. Eine solche Heirat bringt den Hauptvorteil, dass Upgrades und Updates durch eine langfristige „Miete“ abgedeckt sind. Es ist keine preiswerte, aber eine sichere, bequeme und praktische Lösung mit professionellen Designs. Das Preis-Leistungs-Verhältnis kann passabel sein, je nach Qualität des Angebots. Was durchzurechnen wäre. Beispiele sind: semplice.com (Portfolio-Wordpress-Theme), wp-engine.com (mit studiopress-Themes) oder format.com
Website zum Selberbasteln (Baukasten) wie jimdo, wix oder Website-Baukästen von Hostern wie domainfactory, ionos oder strato usw. konnten sich zwar am Markt vorarbeiten, sind aber aus meiner Sicht ein mühevolles und langfristig teures Vergnügen mit selten überzeugenden Ergebnissen. Von stolzen Laien gebastelte Websites strotzen häufig vor Designfehler, Pluginchaos und haarsträubendem Quellcode. Diese Fettnäpfchen, Anfängerfehler und fehlendes Know-how z.B. für Benutzerführung (UX) und Barrierefreiheit schießen solche Websites direkt ins Aus.
Kostenlose Websites stehen seit jeher zur Verfügung, angefangen von wordpress.com, aber das ist für eine beruflich motivierte Online-Präsenz keine ernsthafte Option – höchstens ergänzend zu einem gut laufenden Social-Web-Profil. Eingeblendete Werbung (kann wegbezahlt werden), Tracking (Datenschutz / DSGVO) und wenig Anpassungsspielraum verderben schnell den Spaß.
Am Puls – was Trendforscher meinen.
Ein kurzer, kommentierter Überblick zu einigen Web-Trends 2021.
Die „digital pioneers“ des Magazins t3n legen gesammelte t3n-Webdesign-Trends 2021 vor.
„Webdesigner der Zukunft machen sich mehr Gedanken um Barrierefreiheit und Behaglichkeit als um dramatische Innovationen.“
t3n
Parallax-Effekte. Diese elegante CSS-Technik gibt es schon lange, wird aber wohl erst jetzt richtig eingesetzt. Parallax-Scrollen macht eine Site lebendig, aber nicht unübersichtlich oder hektisch, kann Informationen und Bilder gliedern und interessant aufbereiten – besonders bei themenspezifischen Landing Pages (Beispiele: aktion-mensch.de, wordpress.org) oder in spannend aufbereiteten journalistischen Reportagen (Scrollytelling)
Neumorphismus. Das sind diese Buttons, die gefühlt gequetscht werden, wenn man sie anklickt oder presst. Schatten suggerieren 3D-Effekt und Haptik. Das wurde vor Jahren komplett überstrapaziert, war lange out und wurde durch Flat Design abgelöst. Vielleicht wirds jetzt besser.
Abstrakte Kunst. Geometrische Formenwelten statt Fotos schaffen eine eigene Bildsprache. Aus meiner Sicht können dies auch gute Fotografien leisten.
Nutzen (Purpose). Webdesign soll Menschen unterstützen – bei ihrer Arbeit, im Alltag, im Handeln wie auch im Politischen (s.u.) – meine Rede seit jeher.
Physische Produkte werden amorph umgewandelt und digital eingebunden. Ein Beispiel für diesen Trend ist der erfolgreiche Slider Revolution. Wobei herkömmliche Carousel-Slider auf der Startseite sowas von out sind, weil sie eine Website unnötig verlangsamen. Schnelligkeit zählt.
Envato, die australische Plattform, auf der u.a. auch WordPress-Themes verkauft werden, weiß natürlich, welche Web-Design-Trends gerade angesagt sind. Der „Dark Mode“ beispielsweise, dunkler Hintergrund mit heller Schrift. Oder das „Anti Design„, das „raw“ und unfertig wirkt. Minimalismus natürlich, mit großen Schriften, klar und schnörkellos. Dagegen „Organic Design“ mit viel Natur. Oder der funktionale, inklusive und barrierefreie Designtrend, der mich besonders freut. Envato-Trends sind aber nur bedingt auf Deutschland übertragbar. So innovativ und international ist nicht zwangsläufig auch die eigene Zielgruppe aufgestellt. Zudem gibt es kulturelle Unterschiede – wie bei asiatischem Webdesign.
Der Ausleseprozess – Webmarketing 2021
Das Page-Designmagazin fragt Praktiker aus Werbeagenturen nach ihrer Einschätzung für kommende Trends, hier kurz kommentiert:
Purpose (= der Zweck) ist in aller Munde: Nur Unternehmen, die einen wirklichen Nutzen haben und kommunizieren können, werden im Corozän bestehen, so heißt es. Systemrelevanz, gesellschaftliche Relevanz, was wird wirklich gebraucht? Webdesign und Webtext kann diesen Nutzen (floskelfrei) auf den Punkt bringen und die Relevanz eines Angebots authentisch, konkret und nachvollziehbar darstellen – das ist wohl der Schlüssel.
Weitere gute Tipps für bewegte Zeiten: Bestandskunden pflegen und eine kundenzentrierte Kommunikation üben. Die These, dass E-Mail-Marketing zusammenbricht, weil komplett überstrapaziert, ist nicht neu. Das Mailpostfach läuft nicht erst heute über mit Werbung. Durch Tracking gesammelte Daten machen E-Mail-Werbung und Newsletter neuerdings extrem penetrant. Wie die massenhaften „persönlichen“ Kauf-Grüße zu allen möglichen Anlässen. Eine geradezu widerliche Unart ist die kommerziell motivierte Geburtstagsgratulation. Mag sein, dass einige Kundinnen und Kunden darauf anspringen, aber mindestens genauso viele sind durch solche Werbeformen genervt und steigen aus (Trend: Unsubsrcribing – Abmeldung vom Newsletter) Für jüngere Webnutzer ist das tipp- und leseintensive Mailen ohnehin längst abgemeldet, nicht nur für Marketing und Teamwork, auch im Alltag – nicht, dass das besser wäre, es ist nur anders.
Fazit
Das Corozän, das virusgesteuerte Zeitalter, gibt dem Internetbusiness völlig neue Impulse und verweist zugleich auf traditionelle unternehmerische Werte. Schön wärs ja, wenn Solidarität und gesellschaftlicher Nutzen, Sinnhaftigkeit, Inklusion und Barrierefreiheit für neue Websites in 2021 tatsächlich mehr zählen als bisher. Mehr Schein als Sein. Wir werden es erleben.