Gleich am ersten Ausstellungstag war ich dort – seit vielen Jahren bin ich ein Fan der Fotografin Annie Leibovitz. Wie jetzt zu lesen ist, verzeichnet die Galerie C|O mit dieser Fotoausstellung Besucherrekorde – kein Wunder, denn hier wird Kunst modern und unterhaltsam inszeniert. Und auch die Fans der abgebildeten Promis kommen auf ihre Kosten – Johnny Depp, Kate Moss und Demi Moore nackig auf Großformat, Politikerportraits, Michelle Obama … natürlich ist das auch Kult, irgendwie.
Schon die Location ist sehenswert: Das Postfuhramt ist ein mächtiges altes Gebäude an der Oranienburger Straße, direkt am S-Bahn-Ausgang nahe der Synagoge. Von außen scheint es pompös und teuer, doch im Foyer herrscht drangvolle Enge, ein unübersichtlicher Tresen versperrt den Raum. Zum Glück wandelt sich das Bild im Ausstellungsverlauf. Viele Räume sind spartanisch, unfertig, teils bröckelt Putz von den Wänden, die wurmstichigen Dielen knarren, es wirkt fast privat, wie in einem verlassenen Wohnhaus. Typisch Berlin eben.
Keine Wegweiser, kaum Beschriftungen: Besucher können sich nur intuitiv orientieren – für manche, die lineare Ausstellungen gewohnt sind, ist das irritierend und verunsichernd, es macht sie wütend und nervös. Andere lieben den spannenden Effekt, wenn sich mit jedem neuen Raum unerwartete Perspektiven bieten.
Wer sich im Fluss der ausgestellten Fotos durch die Räume treiben lässt, taucht ein in die magische Bilderwelt der großartigen Annie Leibovitz. Ihr Portfolio bewegt sich zwischen Portrait, Promifotografie, Rock’n’Roll, Dokumentar- und Landschaftsfotos. Ob Auftragsarbeiten oder privat, immer meint man dahinter die Suche nach dem einzig wahren, dem einzig authentischen oder auch dramatischen Augenblick zu spüren – dem perfekten Moment, um auf den Auslöser zu drücken. Beim Portraitieren ihrer Mutter führte diese Form der Intensität wohl direkt zum Streit.
Ein Ruhepool im Bildersturm: In einem großen Raum mit riesigen Landschaftsbildern von Monument Valley und Jordanien herrscht eine geradezu meditative Stimmung.
Die Wände im Flur des ersten Stockwerks sind gepflastert mit kleinen Fotos und Kontaktabzügen aus dem Fundus der Fotografin, von den berühmten Stones-Fotos bis zu privaten Bildern. In den Zimmerfluchten sind großformatige Portraits ausgestellt – man weiß gar nicht, wohin man zuerst schauen soll: dort hängt Robert de Niro als lässiger urbaner Lebemann, schräg gegenüber schwebt die wunderschöne Nicole Kidman schwanengleich durch einen Ballsaal, im Raum daneben relaxt Patti Smith im Familienkreis. Und immer wieder Susan Sontag, die Freundin. Annie Leibovitz hat sie auf vielen Reisen begleitet, so auch auf ihrer letzten.
Fazit: Hingehen, selber schauen! Noch bis Ende Mai 2009.
Links:
- „Wer dich liebt, hält dich aus“ – Annie Leibovitz im Tagesspiegel-Interview (21.2.09)
- C|O Berlin zeigt Annie Leibovitz – offizielle Ausstellungsseite
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