Warum sich zu viele Substantive, -ung-Wörter, Genitive („des Erfolges wegen“) und unpräzise Formulierungen manchmal mörderisch auswirken. Wie beispielsweise die Verwaltungssprache im Fall Kabul.
Sprache ist politisch
Im Journalismus – und selbstverständlich für mich als Texterin und Germanistin – spielt die Sprache als Handwerkszeug eine herausragende Rolle. In der Tagesspiegel-Kolumne „Spiegelstrich“ thematisiert Fernsehjournalist Klaus Brinkbäumer den Zusammenhang zwischen Sprache und Wirkung. Und gibt den politischen Akteuren drei elementare Sprachtipps mit auf den Weg.
Verwaltungssprache entmenschlicht
Was ich als „Substantivitis“ bezeichne, ist eine Krankheit, die mir häufig im technischen und akademischen Umfeld begegnet. Und bei Leuten, die glauben, so würden sich Führungskräfte eben ausdrücken auf „Hochdeutsch“. Das Gegenteil ist der Fall. Wer zu viele Substantive in einem zu langen Satz verwendet und endlos schwurbelt, wird nicht gelesen und nicht verstanden. Ganz einfach.
1. Vermeiden Sie Substantivierungen“
Schreibt Brinkbäumer.
Ein Satz mit vielen Substantiven mag wichtige Fakten enthalten und inhaltlich korrekt sein. Aber der Stil ist schlecht und die Botschaft kommt nicht an. Der Text wird nicht verstanden. Letztlich ist das eine Beleidigung des Publikums.
Verben beschleunigen Texte, und Substantivierungen entziehen Texten das Blut, da sie aus dem Leben einen Verwaltungsakt machen.“
Klaus Brinkbäumer
Wer sich auf die Fakten beschränkt, vergisst den menschlichen Faktor. Verwaltungssprache dokumentiert auch hochdramatische, akut gefährliche Vorgänge ganz unemotional und pragmatisch. Einzelschicksale werden in Ordner abgelegt, aus denen sie, wie im Beispiel der Evakuierungspapiere für Kabul, zu spät wieder auftauchen. Bürokratie kann töten.
Eine technokratische Sprache lässt Menschen, Projekte und Schicksale hinter kalten Worten verschwinden. Es ist die „(…) ohne Verzögerung durchgeführte Präzisierung der Planung der Auslösung der Vorbereitung der Mission (…)“ (KK)
Eine dermaßen abgehobene Sprechweise erweckt den Verdacht, dass hier etwas vertuscht oder mindestens undeutlich kommuniziert werden soll.
Aber es steckt noch etwas anderes hinter so einer künstlich aufgebauten Sprachbarriere. Das Ziel des Bildungsbürgertums war und ist, alle auszuschließen, die einer elitären Ausdrucksweise nicht folgen können. Kein Wunder, dass Menschen misstrauisch werden gegenüber Politik, Medien und Verwaltung.
Die -ung-Wörter
In vielen Fällen lassen sich -ung-Wörter ganz einfach durch Verben ersetzen, wodurch ein Satz häufig kürzer und lebendiger wird. Und verständlich. Eine lebendigere Wortwahl und Satzbildung wird des Erfolges, Stils und Verstehens wegen unbedingt jeder Überprüfung der Umsetzung standhalten. Nochmal: Lebendige Worte und Sätze führen zu Erfolg, Stil und Verständlichkeit.
2. (…) tun Sie’s nicht mit ung-Endung und auch nicht in einer Reihe von Genitiven.“
„Spiegelstrich“
Es gibt eine Ausnahme: Im Webtext kommt es auf die Keywords an, Schlüsselbegriffe, die bei der Google-Suche verwendet werden. Es kann gut sein, dass es in den Website-Texten mancher Branchen unumgänglich ist, auch -ung-Substantive gezielt einzusetzen. Aber niemals Genitivhaufen – des Erfolges wegen.
Präzise Wortwahl
Bei spezifischen Namen von Volksgruppen, Religionen oder Regionen schwingen oft dramatische historische Ereignisse mit. Von der Politik sollte man eine politisch korrekte Formulierung erwarten dürfen. Das ist die Grundfeste aller diplomatischen, politischen Kommunikation.
3. Sagen Sie nicht „Afghanis“, wenn Sie „Afghans“ meinen.“
So zeugt es auch von mangelndem Respekt, in einer wichtigen Ansprache eine zentrale Personengruppe falsch zu benennen. Gut gemeint, schlecht gemacht. Die Wirkung verpufft, der Schaden ist angerichtet. Okay, kann mal passieren.
Das betrifft nicht nur politische Texte. Sondern selbstverständlich auch Texte in der internen und externen Unternehmens-Kommunikation.
Wer etwas erreichen will, wer andere Menschen erreichen will, braucht, neben den Inhalten, auch die richtigen Worte und gute Texte.