Nora Mellings „Schattenblüte” schafft den Spagat zwischen einer herzzerreißenden Werwolf-Lovestory zur Fantasy-Buchreihe mit Verstand.
Eine geheimnisvolle dunkle Schönheit mit sehnsuchtsvollem Blick und schwarzer Blüte im Haar ziert auch den zweiten Band der Schattenblüte-Reihe von Nora Melling, erschienen bei Rowohlt Polaris. Es ist ein ernst blickendes Mädchen – ganz, wie die Heldin des Buches, die 17jährige Luisa. Sie wird von zwei eindrucksvollen Verehrern umkreist, von Thursen, ihrem Werwolf-Freund aus dem ersten Band, und seinem Gegenspieler Elias, einem gebürtigen Halb-Engel, beide Alphaexemplare ihrer Gattung. So, wie es eben sein sollte, in einer romantisch-dramatischen Lektüre – Love, Sex, Crime und eine gute Portion Action.
Glücklicherweise ist „Schattenblüte“ keine eindimensionale Schöne-liebt-Biest-Geschichte. Der Rowohlt-Verlag ist schließlich nicht irgendeiner. Rowohlt Polaris liefert, so der Verlag, „niveauvolle Unterhaltung für Leser von 16 – 66” Aber, keine Angst vor Niveau! Die höchst romantischen Liebeszenen werden die Fans derselben auch in diesem „Schattenblüte“-Band nicht enttäuschen. Sie bilden den Rahmen für handfeste soziale Konflikte und Fragen der Selbstfindung. In „Die Wächter” geht es um ernste Themen wie Tod und Trauer, sozialen Druck und seelische Not, Ausbruchsversuche aus einem als zu langweilig empfundenen Alltag, Familienkonflikte, Wut und Trauerarbeit.
Romantic-Fantasy-liebende Leseratten werden “Die Wächter” in kürzester Zeit verschlingen wie der Werwolf seine Beute.
Ich persönlich würde mir die Heldin zwar etwas selbstbewusster wünschen. Trotzdem ist Luisa eine (Anti-)Heldin, mit der man mitgeht – und so steigt die Spannung mit jeder Seite. “Schattenblüte” ist eine Buchreihe für Romantikerinnen, die dramatische Liebesgeschichten und mystische Geheimnisse mögen und doch mit beiden Füßen fest auf der Erde stehen. Schließlich durchstreifen Luisa, Thursen und Elias keine unbekannte Zauberwelt, sondern das ganz reale Berlin der Jetztzeit – eine Art Parallelstadt, die zu erleben nur jenen vorbehalten ist, die offen sind für Begegnungen mit Wesen der anderen Art.
Nora Mellings Berlin ist eine kalte große Stadt, gewalttätig, aufputschend, mit modernen Glaspalästen („der schnellste Aufzug Europas”) und verborgenen Art-déco-Film-Locations („stuckverzierte Fassade des riesigen Gründerzeitbaus … wie ein verlassenes Märchenschloss”), Bandenkämpfen in dunklen Parks, nächtlichen S-Bahnfahrten und einem wilden unheimlichen Grunewald, dem finsteren Zwilling des sonntagnachmittäglichen Stadtwaldes. Dieses aufgeladene energievolle Melling-Berlin entfaltet eine machtvolle Sogwirkung – das ist die Stadt, die ich kenne, ihre Licht- und Schattenseiten, mit (metaphorisch gesprochen;) Wölfen, Engeln und uns Sterblichen dazwischen.
„Schattenblüte“ führt durch das Auf und Ab der extremen Gefühlswelt junger Erwachsener, sie schwankt zwischen tiefer Liebe und abgrundtiefem Hass, Frustration und Furcht, Sex und Gewalt bis hin zu blutigem Mord. Luisas Erlebnisse mögen fantastisch sein, doch die beschriebene Gewalt unter Jugendlichen ist es ganz sicher nicht. Mehr noch als im ersten Band geht es in „Die Wächter” um Gut und Böse und die Gratwanderung dazwischen, um Licht und Schatten, die sich gegenseitig bedingen und doch bekämpfen. Personifiziert durch den coolen geheimnisvollen Thursen im dunklen Ledermantel und seinen Widersacher, dem schönen Elias, der mit Schutzengelambitionen im Sportwagen durch Berlin rast.
Die Heldin Luisa wird von Selbstzweifeln geplagt, sie empfindet sich als ungeschickten hässlichen Trampel. Kein Wunder, im Vergleich zu ihren schönen Freunden mit den Superkräften. Luisa lässt sich treiben, grenzt sich wenig ab, zeigt viel Mitgefühl – und entscheidet sich zuweilen quälend spät. Möglicherweise am Ende ZU spät … der dritte Band wirds zeigen. Umgekehrt klammern sich eben diese Lichtgestalten und Schattenwesen an das Mädchen – sie sehnen sich nach Luisas unschuldiger Menschlichkeit, nach warmer Zuwendung und Verständnis. Hoffen wir, dass sich Luisa diese Eigenschaften im dritten Band bewahrt – trotz der drastischen Ereignisse im großen Showdown des letzten Kapitels, bei dem sie … aber darüber breiten wir den Nebel des Schweigens, lest selbst!
Rowohlt Digitalbuch 12,99 € (» zur Schattenblüte-Seite bei Rowohlt)
Rowohlt Polaris Hardcover, 320 S., 01.03.2012 14,95 €Website von Nora Melling (von mir): www.noramelling.de
Anmerkung zu meinen Buch-Rezensionen: Diese Rezensionen schreibe ich aus Spaß an der Freude und veröffentliche sie dann und wann hier im Blog. Entweder sind es Bücher, die ich gerade lese und für interessant halte. Oder es sind Bücher von Kolleginnen, deren Background kenne und weiß, dass sie sehr gut schreiben. Verrisse veröffentliche ich grundsätzlich keine. Und manchmal reicht die Zeit einfach nicht, denn der Brotjob geht immer vor.
Mit Romantic Fantasy konnte ich irgendwie nie richtig warm werden… Wenn schon Liebe und Leidenschaft im Fantasy-Genre, dann die Buchreihe „Schwarze Juwelen“… 🙂